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Fritz Platten war der berühmteste Schweizer Revolutionär. Der überzeugte Kommunist war einer der Anführer des Landesstreiks, organisierte die Rückkehr Lenins nach Russland und war massgeblich an der Gründung der Kommunistischen Internationale beteiligt, fiel trotz seiner Überzeugung in Ungnade und wurde in einem sowjetischen Arbeitslager erschossen.
Geboren wurde Fritz Platten 1892 als Sohn des Schreiners Peter Platten und dessen Frau Maria. Zunächst lebte die Familie in St. Gallen, 1892 zog sie nach Zürich. Nach seiner Schulzeit absolvierte Fritz von 1898 bis 1902 eine Schlosserlehre bei der Maschinenfabrik Escher-Wyss, musste diese aber wegen eines Unfalls abbrechen. Politisiert wurde Fritz Platten durch aufkeimende Ideale einer klassenlosen Gesellschaft und einer Arbeiterschaft, die sich Rechte mit Gewalt kämpft. 1904 trat er im Alter von 21 Jahren dem Arbeiterbund Eintracht bei. Fasziniert von den sich abzeichnenden revolutionären Umwälzungen im Zarenreich emigrierte er 1905 nach Russland. 1906 nahm er an einem Aufstand in der lettischen Hauptstadt Riga teil und wurde dafür zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt. 1908 floh er zurück in die Schweiz. 1912 kam es auch in der Schweiz zu Unruhen. Vom 12. bis 14. November 1912 beteiligten sich 250'000 Arbeiter und Gewerkschafter am Landesstreik, der grössten gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung in die Schweiz. Fritz Platten war Mitglied der Zürcher Streikleitung. Nach dem Zusammenbruch der zweiten Internationalen, einem Zusammenschluss von mehr als 100 sozialistischen und kommunistischen Organisationen aus ganz Europa, stiess er 1915 zur Zimmerwalder Bewegung. Der Name geht auf ein gleichnamiges Manifest von Leo Trotzki zurück, welches eine Grundlage für die geheime Konferenz war, die vom 5. bis 8. September 1915 im Berner Dorf Zimmerwald stattfand. Fritz Platten war vom propagierten Ideal einer kommunistischen Gesellschaft, die durch Revolutionen der Arbeiterschaft erkämpft werden sollte, fasziniert und setzte sich auf politischer Ebene dafür ein. Von 1917 bis 1922 war er für die Sozialdemokratische Partei Mitglied des Nationalrates und danach bis 1923 Mitglied des Grossen Stadtrates von Zürich. Eine wichtige Rolle spielte Fritz Platten bei der Rückkehr Lenins nach Russland. Er verhandelte im Auftrag Lenins mit dem deutschen Botschafter in Bern und erreichte, dass Lenin und seine Begleitung in einem angeblich verplombten Eisenbahnwaggon durch Deutschland fahren konnten. Als 1919 in Moskau die Kommunistische Internationale gegründet wurde, war er Mitglied des Präsidiums. 1920 verbüsste er in der Schwiez eine Haftstrafe wegen seiner Beteiligung am Landesstreik. 1921 war er Mitbegründer der Kommunistischen Partei der Schweiz und war als deren Sekretär massgeblich an deren Aufbau beteiligt. Platten wurde vor allem dafür bekannt, dass er nach der russischen Februarrevolution 1917 die Rückkehr Lenins aus dem Exil in der Schweiz nach Russland organisierte. Während des Ersten Weltkriegs fuhren Lenin und seine Begleitung in einem angeblich verplombten Eisenbahnwaggon durch Deutschland. Platten hatte im Auftrag Lenins dazu die Verhandlungen mit dem deutschen Botschafter in Bern, Gisbert Freiherr von Romberg, geführt. Von Sassnitz aus erreichten sie mit der Fähre Schweden, wo sie in Stockholm von den schwedischen Arbeiterführern Otto Grimlund, Ture Nerman, Carl Lindhagen und Fredrik Ström begrüsst wurden. Über Nordschweden gelangten sie mit einem Zug an die schwedisch-russische Grenze, an der Platten von der republikanischen Regierung zurückgehalten wurde und daher in die Schweiz zurückkehrte[3], während Lenin nach Petrograd gelangte. Platten (rechts) neben Lenin in Moskau 1919Platten sass mit Lenin in dem Fahrzeug, das am 14. Januar 1918 nach einem öffentlichen Auftritt Lenins beschossen wurde. Er konnte Lenin in Deckung drücken, zog sich dabei eine Schussverletzung an der Hand zu und rettete ihm so das Leben.[4] Emigration[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten] Fritz Platten (um 1930)1923 emigrierte Platten in die Sowjetunion. Er gründete mit Schweizer Arbeiteremigranten eine landwirtschaftliche Genossenschaft beim Dorf Nowaja Lawa in der heutigen Uljanowsker Oblast (damals Ujesd Sysran). Ab 1926 lebte Platten in Moskau. Nach seiner letzten Reise in die Schweiz wurde er von 1931 bis 1937 am Internationalen Agrarinstitut als Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. 1937 fiel seine Frau Berta Zimmermann als angebliche Trotzkistin und britische und deutsche Spionin den stalinschen Säuberungen zum Opfer. Er selbst wurde 1938 verhaftet, 1939 als Spion verurteilt und ins Lager Lipowo in der Nähe von Njandoma deportiert. Nachdem er seine Strafe von vier Jahren Lagerhaft (unter Anrechnung der einjährigen Untersuchungshaft) abgesessen hatte, wurde er am 22. April 1942 – an Lenins Geburtstag – erschossen.[5] Neuere Forschung an der Universität Basel besagt, dass seine Todesumstände im Gulag ungeklärt seien.[6] Nachwirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 15. Mai 1956 wurden Fritz Platten und Berta Zimmermann im Rahmen der Entstalinisierung in der Sowjetunion rehabilitiert.[7] Er wurde in der UdSSR vielfach geehrt, insbesondere ist eine Strasse in Njandoma nach ihm benannt. Sein Sohn, Fritz Nicolaus Platten, eröffnete im Jahr 1988 in Moskau anlässlich einer Gedenkfeier zum 105. Geburtstag Plattens, sein Vater habe in einem Brief geschrieben, dass er erschossen werden sollte, weil seine Haftzeit im Lager beendet gewesen wäre.[8] Bis dahin wurde als offizielle Todesursache eine Herzkrankheit angegeben. Privates[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei seinem Aufenthalt in Riga während der ersten Russischen Revolution lernte Platten die Jüdin Lina Chait kennen, die seine Partnerin wurde. Sie nahm an einem revolutionären Zirkel teil und bereitete sich so zum Kampf vor. Als Platten 1906 in Riga im Gefängnis war, kam er gegen Kaution frei. Das Geld stellte Lina Chait zur Verfügung. Sie gab ihre Mitgift hin. Lina Chait folgte Platten nach Zürich.[9] Zusammen hatten sie einen Sohn, Georg Platten, der 1909 geboren wurde. 1924 folgte Georg Platten seinem Vater und emigrierte nach Russland. Plattens erste Ehefrau war die Russin Olga Nikolajewna Korslinski. Der Ehe entsprang der Sohn Fritz Nicolaus Platten (* 17. Dezember 1918, † 4. September 2004). Er wuchs in der Familie Willi Trostels auf,[10] weil die Mutter am 31. Dezember 1918 in Zürich Suizid verübt hatte. Plattens zweite Frau war die Litauerin Lisa Rosowsky. Seine dritte Frau, die Zürcher Kommunistin Berta Zimmermann, die mit ihm in die Sowjetunion ging, wurde in Moskau 1937 verhaftet und im gleichen Jahr erschossen. Fritz Platten (1883 bis 1942) war wohl der grösste Revolutionär, den die Schweiz je sah: ein überzeugter Kommunist, Anführer im Landesstreik 1918 und ein enger Vertrauter von Lenin. 1917 organisierte er Lenins Rückreise von Zürich nach St. Petersburg. Wenig später stürzte das Zarenreich in der Oktoberrevolution. Und als 1919 die Kommunistische Internationale (Komintern) gegründet wurde, sass Platten gleich neben Lenin. Unter Stalin fand er aber dann den Tod. Jahrzehnte später stieg er in der Sowjetunion wieder zur Kultfigur auf. In Filmen erschien er verklärt als Freiheitskämpfer aus dem Lande Wilhelm Tells. 8.7.1883 Tablat (heute Gemeinde St. Gallen), 22.4.1942 Lipovo (bei Archangelsk, Sowjetunion), christkatholisch, dann konfessionslos, von Tablat. Sohn des Peter, Schreiners, Wirts, Deutscher, ab 1890 von Tablat, und der Maria geborene Strässle. 1) 1912 Olga Korslinsky, aus Moskau, 2) 1920 Lisa Rosowsky, aus Wilna, 3) 1924 Berta Zimmermann, Tochter des Johann Georg, Angestellter des Gartenbauamts Zürich. Ab 1892 in Zürich, Sekundarschule, 1898-1902 Schlosserlehre bei Escher-Wyss, wegen eines Unfalls abgebrochen, danach verschiedene Anstellungen. 1906 Teilnahme an der ersten Russischen Revolution in Riga, mehrmonatige Haft, 1908 Flucht in die Schweiz. 1909-1914 Sekretär der Sozialdemokratischen Landesorganisation der internationalen Arbeitervereine in der Schweiz in Zürich. 1912 Mitglied der Streikleitung beim Zürcher Generalstreik. 1912-1919 Mitglied der Geschäftsleitung, 1915-1919 Sekretär der SPS. 1916-1919, 1922-1923 Grosser Stadtrat in Zürich; 1917-1919, 1920-1922 Nationalrat. Fritz Platten, der 1915 bzw. 1916 an den Konferenzen von Zimmerwald und Kiental teilgenommen hatte, pflegte von 1916 an Kontakte mit Lenin. Er organisierte im April 1917 die Rückreise Lenins bis zur russischen Grenze. 1917-1924 reiste Platten mindestens siebenmal nach Russland. Im Januar 1918 rettete er in Petrograd (heute St. Petersburg) Lenin bei einem Attentat das Leben. Im gleichen Jahr spielte er eine führende Rolle beim Landesstreik in Zürich und wurde deswegen in Abwesenheit verurteilt. 1919 fungierte er als Präsidiumsmitglied am Gründungskongress der Kommunistischen Internationale in Moskau. 1920 verbüsste er in der Schweiz seine Haftstrafe. 1921 zählte er zu den Mitgründern der KPS. 1923 verliess er die Schweiz wieder, um in der Sowjetunion landwirtschaftliche Genossenschaften ins Leben zu rufen; die Projekte scheiterten oder wurden kollektiviert. In Moskau, wo er ab 1926 lebte, war Platten 1931-1938 als Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Agrarinstitut tätig; 1931 reiste er zum letzten Mal in die Schweiz. 1937 wurde seine dritte Frau Opfer der stalinistischen Säuberungen. Platten selbst wurde 1938 verhaftet, 1939 verurteilt und deportiert und 1942 in einem Arbeitslager erschossen. Nach seiner Rehabilitation 1956 wurde er in der Sowjetunion verschiedentlich geehrt. Platten verkörperte einen neuen Führungstyp auf dem linken Flügel der sozialdemokratischen Partei: Marxistisch geschult, vertrat er internationalistische und antimilitaristische Positionen, stellte die Einheit der Partei jedoch nicht in Frage. Erst nach dem Landesstreik wandte er sich linksradikalen Positionen zu. Historisch bedeutsam waren Plattens praktische Verdienste um Lenin und die Russische Revolution. 1919 war Fritz Platten Mitglied des P , als Fritz neun Jahre alt war, Er war eine schillernde und überaus populäre Figur der Schweizer Arbeiterbewegung: Fritz Platten. Seine bewegende Biografie begann mit der Freundschaft zu Lenin – und zog ihn hinein in den Strudel der Weltgeschichte. Im Interview erklärt der Historiker Peter Huber, mit welch verhängnisvollen Folgen. err Huber, wie erlebte der radikale Sozialdemokrat Fritz Platten das politische System der Schweiz? Peter Huber: Platten steht schon Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, seit Beginn seiner politischen Laufbahn in der Zürcher und Schweizer Arbeiterbewegung, in ständigem Konflikt mit dem politischen Establishment, das die Arbeiterbewegung niederhält und seine Forderungen abblockt. Für Forderungen und Errungenschaften, die uns heute als selbstverständlich erscheinen, schlägt er sich bereits damals, und stösst bei den bürgerlichen Parteien auf Abwehr. Die Schweiz mit ihren politischen Institutionen – der Bundesrat zum Beispiel ist zu jener Zeit rein bürgerlich zusammengesetzt – erlebt er nur sehr bedingt als Demokratie. Das Gefühl, dass dem Schweizer Arbeiter ein gebührender Platz im Land verwehrt werde, haben Platten und die breite Arbeiterbewegung gemeinsam. Plattens Kurs war doch aber auch in den eigenen Reihen, insbesondere bei den Gewerkschaften, umstritten? In der Arbeiterbewegung selbst erlebt Platten, wie sein forscher Kurs beim nationalen Gewerkschaftsapparat auf keine Gegenliebe stösst und gebremst wird. Der bedingungslose Abbruch des Generalstreiks von 1918 erscheint ihm als Verrat und Kapitulation vor dem Bürgertum: Platten fühlt sich fremd in der eigenen Bewegung und sieht in den russischen Revolutionären mit deren Oktoberrevolution von 1917 das Vorbild. Helen Stehli Pfister Legende: SRF Helen Stehli Pfister hat zahlreiche preisgekrönte «DOK»-Filme realisiert, u.a. «Das Model und die Ärztin», «Beruf: Abenteuer – Thomas Ulrich zwischen Polareis und Familie» sowie «Tschernobyl und die Schweiz». SRF1 zeigt am Donnerstag, 1. Mai um 20.05 Uhr in «DOK» den Film «Der rote Fritz – Kathrin Winzenried auf Spurensuche in revolutionärer Zeit». Führte der Abbruch des Generalstreik dazu, dass Fritz Platten auswanderte? Der bedingungslose Abbruch trug dazu bei. Im Generalstreik kristallisierten sich enorme interne Spannungen heraus: Die Mehrheit der Gewerkschaftsführer stemmte sich gegen die Ausrufung, und als der Streik dennoch in Gang kam, war die Führung für einen möglichst schnellen Abbruch. Das vergiftete das Klima in der Arbeiterbewegung. Platten und seine radikalisierten Mitstreiter waren erbost über die Gewerkschaftsführung und sahen gleichzeitig, dass jene das Ruder in der Arbeiterbewegung in den Händen hatte. Platten fühlte nach dem Generalstreik, dass «sein» radikaler Teil der Arbeiterbewegung auf verlorenem Posten stand und in der Schweiz kaum durchkommen würde mit seinen Forderungen. Was zog ihn an der jungen Sowjetunion an? Russland hat Platten schon immer in den Bann gezogen. Schon Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs und dem Generalstreik von 1918 bewegt er sich in Zürich in russischen Emigrantenkreisen, die vor dem Zarismus geflüchtet sind und in Zürich vom Sturz des Zarenregimes träumen und darauf hinarbeiten. Bereits 1905 begibt er sich in deren Auftrag in einer Geheimmission ins Zarenreich, sitzt dort neun Monate in Haft und ist fasziniert von Land und Leuten. Etwas überspitzt und salopp gesagt: Er betrachtet es als moralischen Imperativ, auf den Sturz des Zarismus hinzuarbeiten, eines riesigen Zarenreichs, das damals als «Völkergefängnis Europas» gilt – insbesondere für einen Schweizer, der in diesem kleinen und übersichtlichen Land lebt und trotz Armut und sozialer Ungerechtigkeit privilegiert ist. Platten war nicht der einzige Auswanderer. Buchhinweis Legende: SRF Peter Huber: «Stalins Schatten in die Schweiz. Schweizer Kommunisten in Moskau: Verteidiger und Gefangene der Komintern», Chronos Verlag, Zürich 2003. Er war der Bekannteste, der 1923 den schweizerischen Zuständen den Rücken kehrte und im revolutionären Russland einen Beitrag zum Aufbau des Sozialismus leisten wollte. In den Jahren nach dem Generalstreik wanderten gegen 150 Kommunisten, zumeist aus den Kantonen Zürich, Schaffhausen und Basel, in die Sowjetunion aus – im Glauben, dort nützlicher zu sein beim Aufbau einer gerechteren Gesellschaft. Sie hatten wie Platten das Gefühl, in der Schweiz mit den minimsten Forderungen nicht durchzukommen und auf verlorenem Posten zu stehen. Diese Schweizer Kommunisten betrachteten es als einen Solidaritätsakt, nach Russland zu gehen. Es waren teilweise gut ausgebildete Berufsleute, die entschlossen waren, dem rückständigen Land beim Aufbau zu helfen. Viele sind Jahre später, als Stalins Zwangsregime fremde Spione witterte, wie Platten verhaftet worden und umkommen. |
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