|
Zwischen 1940 und 1945 nahm die Schweiz rund 104'000 ausländische Militärangehörige aus 38 Ländern auf, unter ihnen in den letzten Kriegsmonaten auch 8'400 Sowjetbürger. Die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion engagierte sich materiell und personell für deren Betreuung.
Die Frage der Aufnahme von ausländischen Militärpersonen, Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und geflohenen Kriegsgefangenen wurde in der Schweiz kontrovers diskutiert. So wurden zum Beispiel Befürchtungen geäussert, dass sie negative Auswirkungen auf die Neutralität haben könnte. Internierte wurden in der Schweiz in einem dezentralen System von Auffang-, Quarantäne, Stamm- und Arbeitslagern untergebracht. Sie waren zur Arbeit in den Lagern oder wo Arbeitskräftemangel herrschte auch ausserhalb, zum Beispiel in der Landwirtschaft, auf Baustellen oder bei Rodungs- und Meliorationsarbeiten, verpflichtet. Für ihre Arbeit erhielten sie einen Lohn, der dem Sold der Schweizer Soldaten entsprach, aber deutlich unter dem Ansatz der Schweizer Arbeiter lag, was zu Spannungen mit der Bevölkerung führte, weil Betriebe dadurch weniger Aufträge erhielten. Die Behörden waren bestrebt, die Kontakte der Internierten zur Zivilbevölkerung zu minimieren. So war es Zivilpersonen verboten, den Internierten Geld, Zivilkleidung oder Fahrkarten abzugeben, ihnen bei der Umgehung der Postzensur zu helfen oder ihnen Zugang zu einem Telefon zu verschaffen. Internierte durften ohne Bewilligung keine Privatwohnungen, Gaststätten und öffentliche Veranstaltungen wie Kino oder Theater zu besuchen. Verboten waren auch Ehen zwischen Schweizerinnen und Internierten. Die sowjetischen Internierten kamen hauptsächlich in den letzten Monaten des Krieges als Flüchtlinge aus deutschen Kriegsgefangenen- und Arbeitslagern in die Schweiz, meist in schlechter körperlicher Verfassung und praktisch ohne Kleidung. Die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion war bestrebt, sich für die Betreuung der Internierten materiell und personell zu engagieren. Am 8. Mai 1945 beantragte die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion beim Bundesrat, eine paritätisch zusammengesetzte Kommission zu ernennen, welche die Berechtigung der Vorwürfe über die Behandlung der sowjetischen Internierten in der Schweiz untersuchen sollte. Drei ihrer Präsidiumsmitglieder, die Nationalräte Francesco Borella, Carl Miville und Jaques Schmid, sollten dieser Kommission angehören. Parallel dazu sammelte die Gesellschaft Schweiz-Sowjetunion Geld und Kleider, aber auch russischsprachige Bücher und Schallplatten für die sowjetischen Internierten. Erreicht wurde, dass in den Internierungslagern alte und neue Filme aus der Sowjetunion gezeigt werden durften. Im Studio-Kino «Nord-Süd» in Zürich organisierte die Gesellschaft eine Sowjet-Film-Woche, deren Reinertrag für die Hilfe zu Gunsten der sowjetischen Internierten eingesetzt wurde. Am 16. Juni 1945 gab Radio Moskau den Beschluss des Kreml bekannt, die Repatriierung der Schweizer aus den sowjetisch besetzten Gebieten so lange einzustellen, bis Moskau von der Schweiz genaue Informationen über die Internierungsbedingungen und Massnahmen zur Rückkehr der sowjetischen Internierten in der Schweiz erhalten habe. Am 20. Juni 1945 lud Bundesrat Max Petitpierre eine sowjetische Militärdelegation ein, den Sachverhalt zu klären. Die Verhandlungen begannen am 27. Juni in Bern und wurden durch ein Abkommen am 10. September, beendet. Am 6. Oktober 1945 hob Moskau die Ausreisesperre gegen die Schweizer Bürger auf und die sowjetischen Flüchtlinge konnten die Internierungslager in der Schweiz verlassen. Felix Werner |
Baracken im Lager Wauwilermoos.
Sowjetisches Soldatengrab auf dem Friedhof Hörnli in Basel
|
druzhba |